Der erste Grenzübergang - was waren wir aufgeregt! Aber das sollte gänzlich unbegründet sein, denn schnell fanden wir im Bus von Loja (Ecuador) nach Piura (Peru) eine nette Peruanerin, deren Vorfahren vor vielen Jahren von China hierher gekommen waren. Sie erzählte uns, wie es in Peru laufen würde und nahm sich sogar die Zeit, um unseren gesamten ersten Nachmittag in Piura mit uns zu verbringen, organisierte uns ein Taxi sowie das erste Hotel und demonstrierte uns so, in welcher Form hier die Preise verhandelt werden. Wir waren also angekommen! Doch würden wir überhaupt alles in Peru sehen, was wir uns vorgenommen hatten?
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Eine der Adobe-Pyramiden in Túcume (Moche-Kultur).
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Junge Indígena bei «Cumbe Mayo» (Prä-Inka-Bewässerungssystem).
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Unsere erste außergewöhnliche Station war Chiclayo. Die ziemlich heruntergekommene Stadt selbst hatte zwar nicht viel Aufregendes zu bieten, aber sie befand sich auf dem Gebiet, das von etwa 100 bis 700 nach Christus, also rund 1000 Jahre vor den Inkas, von der Moche-Kultur besiedelt wurde. Diese Kultur hatte eigentlich viel weiter südlich, in der Nähe von Trujillo, ihr politisches und religiöses Zentrum, hinterließ aber in der Umgebung von Chiclayo eine Vielzahl von Pyramiden und Grabstätten. Wir begaben uns also auf den Weg, sowohl die Überreste der 26 Adobe-Pyramiden von Túcume zu besichtigen, die teilweise das Volumen der ägyptischen Pyramiden fassten, aber wir besuchten auch das pyramidenförmige Grab-Museum des «Señor de Sipán», eines der Priester und Kriegsfürsten der Moche-Kultur.
Von hier aus wollten wie eigentlich der Küstenlinie folgend bis nach Trujillo, waren aber immer wieder so sehr von den Anden fasziniert, dass wir uns entschieden, einen Zickzack-Kurs einzuschlagen und nach Cajamarca zu fahren, einer kleinen Provinzhauptstadt in 2750m Höhe. Vor der Reise sind wir der internationalen Friedensorganisation SERVAS beigetreten, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, durch persönliche Kontakte zwischen Reisenden und Einheimischen ein besseres Verständnis und Toleranz zu schaffen. In Cajamarca verbrachten wir dadurch eine sehr schöne Zeit bei einer einheimischen Familie, die ebenfalls SERVAS-Mitglied war und uns daher anbot, ein paar Tage bei ihnen zu leben. So lernten wir einige peruanische Gewohnheiten kennen, wie etwa das Trinken von Quinoa-Tee zum Frühstück. Quinoa (Chenopodium quinoa) ist bei uns auch unter den Namen «Reismelde» oder «Perureis» bekannt und besonders in den Höhenlagen, wo kein Maisanbau mehr möglich ist, schon seit Jahrtausenden ein wichtiges Grundnahrungsmittel.
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Sonnenuntergang bei Huanchaco, mit Blick auf drei «Caballitos».
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Ruinen von «Chan Chán» - einmal Hauptstadt des Chimú-Reiches.
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Hier in der Gegend haben wir uns aber vor allem das größte megalithische Bauwerk Amerikas - das Bewässerungssystem «Cumbe Mayo» sowie die in Fels gehauene Nekropolis von «Otuzco» angesehen. Beides sind Überreste der Caxamarca-Kultur, die hier vom 5. bis 10. Jahrhundert lebte. Es war nicht immer einfach, all die verschiedenen Kulturen und deren zeitliche Einordnung zu unterscheiden, dabei waren das ja längst noch nicht alle! Die spannendsten Relikte sollten demnach erst noch vor uns liegen...
Unweit unseres nächsten Reisezieles - Trujillo - gab es bereits ein weiteres Highlight: die ehemalige Hauptstadt des Chimú-Reiches, das komplett aus Adobe erbaute «Chan Chán». Noch heute lässt sich erahnen, warum dies einst eine der größten Städte der Welt war, lange bevor sie von den Inkas erobert wurde... Nach einer ausgiebigen Besichtigungstour ging es noch direkt an den Pazifik, wo wir ein kleines Fischerdorf namens Huanchaco besuchten, das vor allem für zwei Dinge bekannt war: die überall am Strand herumstehenden «Caballitos» (kleine Schilfboote, die schon seit Urzeiten zum Fischen benutzt werden) und «Mariscos» - einem leckeren Menü aus Fisch, Muscheln und sonstigen Meeresfrüchten.
Aber auch hier hielten wir es nicht lange aus, weil es uns erneut zurück in die Berge zog! So zogen wir also wieder los, vorbei an weiten Hügellandschaften der Küstenwüste, vorbei an endlosen Seen und hinauf in die Anden. Schließlich erreichten wir Huaraz, ein Städtchen im fruchtbaren Tal namens «Callejón de Huaylas», welches auf der einen Seite von der ganzjährig schneebedeckten Cordillera Blanca (Weiße Gebirgskette) und auf der anderen Seite von der weitgehend schneefreien Cordillera Negra (Schwarze Gebirgskette) begrenzt ist.
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Die einsame Lagune «Huacachina»
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In Huaraz scheint es das ganze Jahr über so viele Besucher zu geben, dass sich eine enorme Tourismus-Industrie etabliert hat - man konnte sich vor aufdringlichen Hotel- und Ausflugsangeboten jedenfalls kaum retten. Und so wollten auch wir wieder einmal eine neue Kultur kennenlernen und buchten einen Ausflug nach Chavín de Huántar, wo die gleichnamige Kultur ca. 800 vor Christus die ältesten Steinpyramiden Perus erbaute. Da uns aber ein paar Tage zuvor die Kamera kaputt gegangen war (wir hatten immer schön Fotos am windigen Pazifikstrand gemacht und dabei wohl die salzige Luft unterschätzt), mussten wir uns erstmal einen gebrauchten Fotoapparat ausleihen. Das endete fast in einer kleinen Revolution, als wir nämlich darum baten, die dafür neu gekauften Batterien im Falle einer Nichtnutzung zurückgeben zu dürfen, was hier vollkommen unbekannt war - aber mit viel Verhandlungsgeschick, ein wenig Trinkgeld und viel Geduld bekamen wir dann doch, was wir wollten!
Schon waren wir an Lima, der 12 Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt Perus, auf wenige 100km heran gekommen, wollten uns aber einen erst kurz zuvor erhaltenen Geheimtipp nicht entgehen lassen und die Überreste der ältesten Kultur Amerikas besichtigen, die Pyramiden von Caral. In der Nähe gab es leider nur eine einzige schäbige Küstenstadt, die vor allem von den riesigen Fischmehlfabriken dominiert wurde. Andererseits trafen wir hier endlich mal keinen anderen Touristen... Um zu den noch in der Ausgrabung befindlichen Ruinen von Caral zu gelangen, die sich auf ca. 2500 vor Christus zurückdatieren lassen und damit etwa zur Zeit der ägyptischen Pyramiden erbaut wurden, mussten wir erst mit einer Art Taxi für mehrere Personen fast zwei Stunden auf Huckelpisten und durch Flussbetten weit ins Landesinnere hinein fahren. Aber es war die Mühe wert, denn was wir zu sehen bekamen, waren immerhin sechs halb ausgegrabene Pyramiden, die nicht wenig an die Maya-Tempel im heutigen Mexiko erinnerten.
Nächste Station: Lima. Vor dieser Metropole hatten wir ganz schön Muffensausen, denn das einzige, was man bisher über Lima in Erfahrung bringen konnte, war der Satz «Lima es peligroso» (Lima ist gefährlich)! Nach der Ankunft haben wir uns dann auch sofort mit aller Vorsicht ein Taxi gesucht und uns in den eher noblen und ruhigeren Stadtteil Miraflores fahren lassen, um eine Unterkunft zu suchen. Nach viel hin und her - Lima ist leider doppelt so teuer wie der Rest des Landes - fanden wir dann aber in Lex Luthors House nicht nur ein Zimmerchen, sondern auch neue Freunde. Die Familie um den Inhaber des Hauses lud uns zu Ausflügen und zum Abendessen ein und bereitete uns einen warmherzigen Empfang, als wir nach unserem Abstecher an die Südspitze Perus wieder nach Lima zurückkamen.
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Machu Picchu: die verlorene Stadt.
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Mit «Südspitze Perus» war gemeint, dass wir bis zum «Cañon del Colca» wollten und dabei unter anderem Station bei den berühmten Nazca-Linien und in Arequipa machten. Auf dem Weg nach Nazca kamen wir an einer romantischen Oase namens «Laguna Huacachina» vorbei, die komplett von Sanddünen eingeschlossen war - ein echter Ort zum Entspannen... Die Stadt Nazca, nach der auch die faszinierenden Linien benannt wurden, hatte vor allem eine kleine Sternwarte zu bieten. Hier hörten wir uns erst einmal einen Vortrag über Maria Reiche an, die viele Jahrzehnte lang die rätselhaften Geoglyphen studierte und sich für deren Erhaltung und Interpretation einsetzte. Am nächsten Tag bestaunten wir dann direkt die mystischen Linien. (Mehr über die Nazca-Linien und Maria Reiche gibt es beim Verein Dr. Maria Reiche e.V.)
Aber im Süden Perus gab es noch mehr zu bestaunen, und zwar den größten Neuweltgeier der Welt, den Kondor (Vultur gryphus)! Dazu stationierten wir erstmal ein paar Tage im kolonial geprägten Arequipa, auch «La Ciudad Blanca» (die weiße Stadt) genannt, und fuhren dann weiter in den winzigen, tief in den Anden versteckten Ort Chivay. VOn hier aus starteten wir einen Ausflug zum Aussichtspunkt «Cruz del Condor». Nachdem wir in aller Frühe losfuhren - um halb fünf Uhr morgens ging unser Bus, den wir mit anderen Touristen und etlichen, schwer bepackten Bauern mit ihren Säcken voller Reis, Kartoffeln, Bohnen etc. teilten - sahen wir vorerst drei Stunden lang gar nichts! Doch gegen zehn Uhr war es soweit: mehr als ein Duzend riesiger Kondore schraubte sich zwischen den fast 3000m hohen Cañon-Wänden hoch und lieferte uns ein spektakuläres Schauspiel.
Nach all diesen beeindruckenden Erfahrungen in Peru haben wir uns dennoch das Beste für den Schluss aufgehoben, aber nun waren wir dorthin unterwegs - unser Ziel hieß Cusco, die Hauptstadt des Inkareiches, und das unweit davon gelegene, legendäre «Machu Picchu». Allerdings sollte der Weg dorthin noch einige Überraschungen für uns bereithalten, wie etwa eine Buspanne mitten im Nirgendwo, die damit endete, dass wir uns alle einige Stunden später in einen weitaus kleineren Bus stopften und schließlich doch unser Ziel erreichten. Im Gegenzug kamen wir auf dem Weg über die Dörfer an einsamen Schluchten, Hängen voller Alpaka-Herden und kristallblauen Lagunen vorbei und man wusste nie, ob es im nächsten Ort noch eine Möglichkeit gab, von dort auch weiterzufahren. Auch der beeindruckenden Puya Raimondii kamen wir auf einem Ausflug in abgelegene Gegenden auf die Spur - immerhin die Pflanze mit dem größten Blütenstand der Welt (bis zu 8m).
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Baumhohe Puya Raimondii unweit von Ayacucho in 3800m Höhe.
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«Los Uros» - die schwimmenden Inseln auf dem Titikaka-See.
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Kaum erreichten wir die in einem wunderschönen Tal gelegene Stadt Cusco, hatten wir aufgrund der beginnenden Hochsaison Probleme, eine Unterkunft zu finden - es war einfach alles voller Touristen. Davon ließen wir uns aber nicht abschrecken, suchten uns in einer kleinen Seitengasse ein gemütliches Hotel und organisierten den Ausflug zur «Ciudad Perdida de los Inkas» (verlorene Stadt der Inkas), Machu Picchu.
Morgens, gegen 4 Uhr. In absoluter Dunkelheit brachen wir auf, um von Aguas Calientes aus den mühsamen Aufstieg zu den Ruinen von Machu Picchu auf 2360m Höhe zu wagen. Dabei folgten wir dem sogenannten «Camino del Inka» (Weg des Inka), viele tausend in den Fels gehauene, unförmige Stufen, die, tief im Wald versteckt, oft nur mit Taschenlampe zu erkennen waren.
Nach zwei Stunden dämmerte es langsam und wir erreichten gerade noch vor Sonnenaufgang den Eingang zur verlorenen Stadt. Die Mühe hatte sich gelohnt: nur ein paar wenige Touristen waren schon oben und so konnten wir uns der mystischen Atmosphäre dieses außergewöhnlichen Ortes hingeben. Natürlich wollten wir es uns nicht entgehen lassen, von hier aus noch den nahe gelegenen Berg Wayna Picchu zu erklimmen, von dem aus man einen fantastischen Blick auf die Ruinen hatte. An diesem Tag wussten wir, wie viel wir gelaufen waren und schliefen sehr gut...
Unsere letzte Station in Peru war Puno, direkt am Titikaka-See gelegen. Man merkte schnell, dass wir die letzten Wochen kontinuierlich an Höhenmetern gewannen, denn hier oben in 3800m war es schon beißend kalt geworden. Trotzdem ließen wir uns einen Abstecher zu den «Islas flotantes Los Uros», den schwimmenden Inseln, nicht entgehen. Sie bestanden komplett aus übereinander geschichtetem Totora-Schilf (Scirpus californicus) und nur noch wenige Familien der Aymara-Kultur lebten dort. Eigentlich wollten wir von hier aus mit dem Bus direkt am See entlang nach Bolivien fahren. Daraus wurde aber nichts, denn anhaltende Proteste sämtlicher Transportunternehmen im Süden Perus legten auch den internationalen Busverkehr lahm. Da wir das unklare Ende der Streiks nicht abwarten wollten (so schön war Puno dann auch wieder nicht), handelten wir mit einem der Fischer einen Preis aus und ließen uns dafür zehn Stunden lang quer über den gesamten Titikaka-See bis nach Bolivien schippern. Mehr zu Bolivien.
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