Das war er also, der berüchtigte Große Chaco. Nachts war es klirrend kalt und manchmal mussten wir einfach eine Pause einlegen, um den verstaubten Bus zu lüften. Etwa 25 Stunden würden wir brauchen bis zur Hauptstadt Asunción - vorbei an hunderten von Kilometern von Trockenwald und undurchdringlichem Dornengebüsch. Aber bis dahin sollte noch einiges passieren...
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Dornige Akazie im «Gran Chaco».
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Mit Paraguay begann für uns ein völlig neuer Abschnitt unseres Abenteuers, denn wir waren nun aus den Andenstaaten mit ihren vielen Indígenas heraus und tauchten in eine Welt ein, die vielmehr von langjähriger Immigration geprägt war. Dass hier alles anders war, machte sich schon bei den Grenzkontrollen bemerkbar: zum ersten Mal wurde all unser Gepäck durchsucht, mit Drogenhunden abgespürt und durchleuchtet. Und das gleich mehrmals - auf offener Straße zog man unsere Rucksäcke aus dem Bus und befahl, sie auf der Fahrbahn zu entleeren. Offenbar wollte man sich vor exzessivem Drogenschmuggel aus Bolivien schützen. Und dass mit Drogen etc. in Paraguay nicht zu spaßen ist, kann man beim Auswärtigen Amt unter Paraguay - besondere strafrechtliche Vorschriften nachlesen.
Rechts und links der Trans-Chaco-Route endloses Dickicht, immer wieder durchsetzt mit für diesen Teil der Region so typischen Flaschenbäumen (Chorisia spp. - auch als «Palo Borracho» bekannt), stattlichen Säulenkakteen (Cereus spp.) und Dornensträuchern, wie etwa verschiedenen Akazien. Man konnte die Stunden im Bus zählen, bis sich die Landschaft endlich mal veränderte: je weiter wir nach Süden kamen, desto mehr wurden aber schließlich Bäume und Dornensträucher von einem Wald aus Caranday-Palmen (Copernicia australis) abgelöst. Und dann waren wir endlich in Asunción, der Hauptstadt Paraguays.
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Nationalpark Ybycuí - letzter Rest subtropischen Regenwaldes.
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Zwei Dinge waren uns sofort aufgefallen - das Klima und die Sprache. Mittlerweile hatten wir tiefsten Winter, doch das Thermometer kletterte auf stolze 38 Grad, was kaum auszuhalten war. Und dann hatten wir Mühe, uns zurechtzufinden, denn außer uns schien hier niemand Spanisch zu sprechen! Die Einheimischen unterhielten sich in einer uns bis dahin unbekannten Sprache: es war Guaraní. Das lässt sich auf die gleichnamigen Indianer zurückführen, die schon in präkolumbianischer Zeit als Ackerbauern hier siedelten. So wurde von Anfang an immer wieder die Vermischung der spanischen Kolonisten mit den Indianern gefördert und deren Sprache außerdem zum Zweck der christlichen Missionierung von den Jesuiten verwendet. Noch heute wird in Paraguay mehr Guaraní als Spanisch gesprochen und ist deshalb auch zweite offizielle Landessprache. Jetzt lässt sich auch erklären, was das Wort «Paraguay» bedeutet, denn es ist Guaraní und heißt soviel wie «Fluss der Payaguá», ebenfalls ein Indianerstamm.
Eine dritte Eigenart der Menschen hier war uns in der Hauptstadt aufgefallen: fast jeder lief mit einem Becher samt silbernem Trinkröhrchen in der Hand und dazu einer unter den Arm geklemmten Thermoskanne herum. Hier war uns also zum ersten Mal die Mate-Tee-Kultur begegnet, die uns bis zum Ende unserer Reise durch sämtliche Länder begleiten sollte. Mate-Tee heißt das Aufgussgetränk aus den kleingeschnittenen und getrockneten Blättern des Mate-Strauches (Ilex paraguayensis) und kann sowohl mit heißem (dann heißt es «Mate») oder kaltem Wasser (dann heißt es «Tereré») getrunken werden.
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Einheimische Kinder spielen am Stadtrand von Encarnación.
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Den fast menschenleeren Norden des Landes, der neben kleineren Indianer-Dorfgemeinschaften hauptsächlich von Mennoniten besiedelt wurde, die im letzten Jahrhundert unter anderem aus dem deutschsprachigen Raum immigriert waren, hatten wir also hinter uns gelassen. Von Asunción aus wollten wir nun den Süden des Landes erkunden, der vor allem für seine zahlreichen Ruinen aus der Zeit der Jesuiten-Orden bekannt war. Vorher sollten wir aber wieder einmal feststellen, wie vielfältig die Natur doch ist - jedenfalls im Nationalpark «Ybycuí».
Der Park war eigentlich eher für die Überreste der ersten Eisengießerei Südamerikas mit dem Namen «La Rosada» bekannt. Doch uns faszinierte vielmehr, dass es in diesem trockenen Klima einen erstaunlich artenreichen Urwald gab. Der Nationalpark Ybycuí umfasste den letzten Rest des hier ehemals weit verbreiteten subtropischen Regenwaldes. Neben kleineren und größeren Wasserfällen beeindruckte uns am meisten die große Vielfalt an Vögeln und Insekten. Allein 58 verschiedene Schmetterlingsarten haben wir gezählt - vom riesigen metallic-blauen Morpho (Morpho spp.) bis hin zum leuchtend orange gefärbten Julia-Schmetterling (Dryas julia).
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Ruinen der Jesuiten-Reduktion im verschlafenen Trinidad.
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Bei unserer nächsten Station sollten wir merken, wie weit wir eigentlich insgesamt schon nach Süden vorgedrungen waren, denn die Stadt Encarnación liegt am Río Paraná, der die Grenze zu Argentinien bildet, und ist durch eine Brücke mit der Stadt Posadas auf argentinischer Seite verbunden. Am Ufer des gewaltigen Flusses wollten wir den Sonnenuntergang genießen, doch den Platz kannten auch einheimische Kinder, die sich hier mit baden und Boot fahren vergnügten. Ganz wohl war uns nicht bei der Sache - schließlich waren wir hier als Touristen mit Kamera in einem ärmeren Viertel unterwegs - doch schon nach kurzer Zeit umringte man uns und konnte vom Posieren vor unserer Linse gar nicht genug bekommen...
Von Encarnación aus machten wir uns auf den Weg, um zwei der ehemaligen Jesuitenmissionen zu besichtigen, nämlich «Jesús de Tavarangüe» und «La Santisima Trinidad de Paraná». Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kamen Jesuitenmönche hierher, um das Urchristentum mit der indianischen Bevölkerung zu vereinen, was auch teilweise gelang. Wenig später schon hat man aber die Jesuiten aus dieser Region verdrängt, und die Indianer wurden von den spanischen Kolonialherren überwiegend zur Sklavenarbeit gezwungen.
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Das Wasserkraftwerk «Itaipú».
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Die Ruinen der Jesuitenreduktionen lassen noch heute erahnen, wie gewaltig die imposanten Kirchen seinerzeit waren. Unser nächstes Bauwerk - das binationale Wasserkraftwerk Itaipú - sollte dies jedoch noch weit übertreffen.
Letzter Ort in Paraguay war das direkt an der brasilianischen Grenze gelegene Ciudad del Este. Die Stadt selbst erinnerte eher an einen überdimensionierten Basar und ist bekannt für den großen Anteil an illegalem Handel und als Drogenumschlagplatz. So hatte dieser Ort dann auch nicht allzu viel zu bieten, weshalb wir uns schon bald aufmachten, um das nahe gelegene Itaipú zu besichtigen - das bezüglich der Jahres-Energieproduktion größte Wasserkraftwerk der Welt (auch nach Fertigstellung des Drei-Schluchten-Staudamms in China).
Durch das Kraftwerk von Itaipú wird ein Großteil des von Paraguay benötigten Energiebedarfs gedeckt und der Überschuss an Brasilien verkauft. Aufgrund des erheblichen Flächenbedarfs dieses Gemeinschaftsprojektes von Paraguay und Brasilien wurde der Naturhaushalt in beiden Ländern doch maßgeblich beeinträchtigt und irreversibel verändert: eine riesige Waldfläche musste gerodet und überflutet werden, viele tausend Indianer verloren ihre Heimat und der Paraná-Fluss wurde so extrem aufgestaut, dass ganze Wasserfälle komplett in seinen Fluten versanken. Dennoch war die Besichtigung des Wasserkraftwerkes ein Erlebnis!
Nach dem eher überschaubaren Paraguay lag nun ein Riese auf unserem Weg - in den nächsten Tagen würden wir den Süden Brasiliens durchqueren. Wasserfälle, Rio de Janeiro, die Megastadt São Paulo und erstmals die Atlantikküste Südamerikas, die uns sagte, dass wir den Kontinent einmal von West nach Ost durchquert hatten... Mehr zu Brasilien.
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