Eine ganze Weile schon standen wir hier, es ging nur sehr schleppend voran und es war so richtig kalt. Der Pass zwischen Mendoza in Argentinien und Santiago in Chile war einer der wenigen derzeit geöffneten Grenzübergänge in Patagonien, weiter nördlich lagen die Pässe alle noch unter einer dicken Schneedecke. In Chile konnten uns sämtliche Landschaftsformen und Klimaverhältnisse begegnen - soviel wussten wir schon - also stellten wir uns für unseren letzten Reiseabschnitt auf eine abwechslungsreiche Zeit ein.
|
In der blühenden Atacama-Wüste bilden weiße «Blautöpfchen»...
|
|
...und leuchtende «Pata de Guanaco» ein Meer aus Blumen.
|
Unser erstes Ziel in Chile war so schon gleich eine der extremsten Regionen der Erde - die Atacama-Wüste. Diese eigentlich trockenste Wüste der Welt liegt einerseits im Regenschatten der Anden und wird andererseits durch den kalten Humboldtstrom an der Bildung von Regenwolken gehindert. Doch auch in dieser Gegend fällt alle 6-15 Jahre mal kräftiger Regen, bedingt durch das Phänomen «El Niño», welches hier ein Aussetzen des Humboldtstroms verursacht. Was dann mit der ansonsten staubtrockenen Atacama-Region geschieht, haben wir erst durch einen Hinweis erfahren: die Wüste blüht!
Zunächst suchten wir uns in einem am Rand der Wüste gelegenen Ort namens Vallenar eine Unterkunft und machten uns sogleich auf den Weg, um eine Exkursion zu organisieren. Dies stellte sich jedoch als schwieriges Unterfangen heraus, da scheinbar nur sehr wenige Touristen an dem Phänomen «El Desierto Florido» (die blühende Wüste) interessiert waren. Es bedurfte einiger Rennereien, Gespräche und Telefonate, bis wir schließlich zu einem kleinen Familienunternehmen gelangten, das unter anderem auch Ausflüge in die umliegende Wüste anbot. Am folgenden Tag sollte es dann also losgehen...
Sand und Blumen und nochmals Sand und Blumen - das war die Atacama-Wüste, wie sie sich wochenlang präsentierte, nachdem es ein paar Tage geregnet hatte! Alle paar Kilometer änderte sich das Bild und eine andere Blütenfarbe dominierte das Bild: mal standen wir in einem Meer aus blauen und weißen Blautöpfchen (Nolana paradoxa ssp. atriplicifolia), mal bestaunten wir unzählige gelbe Añañuca (Rhodophiala bagnoldii) und mal fuhren wir an Millionen violett leuchtender «Pata de Guanaco» (Calandrinia longiscapa) vorbei, den so genannten Guanako-Füßchen. Wir konnten gar nicht genug bekommen von den verschiedenen Blumen, die hier alle jahrelang im Verborgenen auf ein wenig Regen warten, um dann die Wüste bunt zu färben.
|
Blick über das bunte Valparaíso.
|
Auf der Rückfahrt nach Santiago haben wir in Valparaíso Station gemacht. Diese bunte Hafenstadt zählt zu den schönsten Orten der Welt und gilt als kulturelle Hauptstadt des Landes, in der allerlei Künstler leben und gelebt haben - so auch der Literatur-Nobelpreisträger Pablo Neruda, dessen extravagantes Haus namens «La Sebastiana» wir uns hier angesehen haben. Aber auch ein zu einem Museum umfunktioniertes Gefängnis, den schönen Hafen und einige der vielen «Ascensores» (Personen-Seilaufzüge), die für Valparaíso so typisch sind, haben wir uns angesehen. Insgesamt bot diese Stadt eine sehr spezielle Atmosphäre, da sie einerseits so offen und alternativ war, auf der anderen Seite aber auch ziemlich heruntergekommen und versifft. Trotzdem oder gerade deshalb ein lohnender Ausflug...
Von Valparaíso aus haben wir uns direkt wieder zurück nach Argentinien begeben - schließlich sollte das nur ein vorgezogener Abstecher in die blühende Atacama-Wüste sein... Erst viele Breitengrade weiter südlich betraten wir erneut chilenischen Boden, genau genommen erst wieder von «Tierra del Fuego» aus.
Hier, an unserem südlichsten Punkt in Chile, überquerten wir zum zweiten Mal per Schiff die Magellanstraße (das erste Mal auf dem Weg nach Ushuaia) und besuchten Punta Arenas, die südlichste Stadt des chilenischen Teils von Patagonien und Hauptstadt der Provinz «Región de Magallanes y de la Antártica Chilena», benannt nach dem portugiesischen Seefahrer Ferdinand Magellan, der im Jahre 1520 die Magellanstraße entdeckte. Punta Arenas gilt als beliebter Ausgangspunkt für Kreuzfahrten und Exkursionen aller Art, vor allem in die von hier aus nur noch etwa 1000km entfernte Antarktis sowie in die umliegenden Fjordlandschaften mit ihren unzähligen Inseln. Wie gern hätten wir uns hier in die fast menschenleere, dafür aber gewaltige Natur gestürzt - unsere Zeit sollte dafür jedoch leider nicht ausreichen. So richteten wir unser Augenmerk auf den weiter nördlich gelegenen, für seine 3000m hohen Granitfelsen berühmten Nationalpark «Torres del Paine».
|
Abgebrochener Eisberg vom Gletscher «Grey».
|
|
«Cuernos del Paine» Massiv im Nationalpark «Torres del Paine».
|
Um in den Nationalpark zu gelangen, haben wir uns die Stadt Puerto Natales als Station ausgewählt, wo eine Vielzahl größerer und kleinerer Reisebüros, aber auch Hostals, Restaurants und allerlei private Personen täglich Ausflüge anbieten. Das Angebot reicht dabei von Besichtigungstouren mit nur wenigen Stunden Aufenthalt im Nationalpark bis hin zu mehrtägigen Trekking-Touren inklusive Extrem-Klettern.
Mit Hinblick auf die weite Strecke, die noch vor uns lag, entschlossen wir uns für einen ganztägigen Ausflug, bei dem verschiedene Stationen im Nationalpark «Torres del Paine» angefahren wurden - und es sollte ein unvergessliches Erlebnis werden, denn schon viel hatten wir von diesem Nationalpark gehört, aber die Wirklichkeit übertraf alle Erwartungen bei weitem...
Schon zu Beginn der Tour hatten wir unbeschreibliches Glück, denn der Himmel klärte sich immer wieder auf und gab zeitweise den Blick auf die riesigen, steilen Felsmassive frei, während es die gesamten letzten Tage ausschließlich Wolken verhangen war. Sobald wir innerhalb des Nationalparks waren, gab es die nächste Überraschung: überall waren Guanakos (Lama guanicoe) zu sehen, die hier nicht die sonst übliche Scheu vor Menschen hatten, so dass man sich bis auf knapp 10 Meter an sie heranwagen konnte. Aber der beeindruckendste Teil dieses Tages lag ja erst noch vor uns. Im Folgenden bekamen wir nämlich alles Mögliche zu Gesicht, darunter einen Gletschersee, den «Lago Grey», auf dem zahlreiche kleine Eisberge und Eisschollen trieben, weiterhin einen prächtigen Wasserfall, den «Salto Grande», Orchideen und andere exotische Pflanzen wie die Einblütige Pantoffelblume (Calceolaria uniflora var. darwinii) und natürlich atemberaubende Felsen, so hoch und steil, dass sie teilweise das ganze Jahr frei von Schnee bleiben.
|
Fischerboot bei Puerto Montt.
|
Nachdem wir nun sowohl den Norden als auch den Süden Chiles gesehen hatten - beide hätten vom Klima und von der Landschaft her unterschiedlicher kaum sein können - begaben wir uns auf den Weg, um auch die zentralen Regionen des Landes kennenzulernen. Dass auch dieser letzte Abschnitt unseres großen Abenteuers noch einmal richtig spannend wurde, hatten wir unter anderem unserem Freund Falk zu verdanken, der uns die letzten Wochen unserer Reise begleitete. Wir sollten noch einiges zusammen erleben...
Unser erstes gemeinsames Abenteuer war die Erkundung der Insel « Isla Grande de Chiloé», auf der wir unter anderem einen stundenlangen Ausritt am Pazifikstrand sowie eine ausgiebige Dschungelwanderung unternahmen. Außerdem hatten wir auch hier noch mal die Möglichkeit, per Bootsausflug eine kleine Pinguinkolonie zu beobachten. Während einer weiteren Wanderung durch sumpfiges Gebiet, wo wir mehrmals fast stecken geblieben wären, konnten wir vom Ufer eines nahe gelegenen Flusses aus viele zerstörte Waldflächen sehen. Das waren noch die Auswirkungen des schweren Erdbebens (Stärke 9,0 auf der Richter-Skala), bei dem 1960 weite Landstriche auf Chiloé stark verwüstet wurden. Schon nach wenigen ereignisreichen und schönen Tagen verließen wir die Insel und fuhren von jetzt an nur noch Richtung Norden - Endstation Santiago war nun nicht mehr weit. Doch noch fehlten uns etwa 1200 Kilometer bis zur Hauptstadt und lagen noch einige Abenteuer vor uns...
Während Chile (genauso wie insbesondere Argentinien und Uruguay) in den letzten 200 Jahren vorwiegend unter dem Einfluss der Immigration stand, bot die zentrale Region ein völlig anderes Bild: wer hier genauer hinsah, konnte noch deutlich erkennen, dass dieser Teil Südamerikas neben vielen anderen Stämmen hauptsächlich von den Mapuche-Indianern besiedelt wurde. Das fiel uns besonders in der Umgebung von Temuco auf, einem der letzten noch verbliebenen Rückzugsgebiete der Indianer. Hier machten wir Station, nachdem wir sowohl in Puerto Montt als auch in Valdivia ein paar sehr reizvolle Ausflüge auf kleine Inseln, an Strände und auf Märkte unternahmen - wir konnten von der Atmosphäre der Pazifikküste einfach nicht genug bekommen!
|
Idylle im ländlichen Chile: Ochsenkarren und Vulkan Llaima.
|
Doch Temuco war anders. Weit im Landesinneren gelegen, bot sich die Stadt einerseits als idealer Ausgangspunkt für eine Wanderung zum Vulkan Llaima im «Parque Nacional Conguillio» an. Begonnen hatten wir mit einer abenteuerlichen Busfahrt über die umliegenden Dörfer, die in einem winzigen Ort namens Melipeuco endete, von wo aus man einen herrlichen Blick auf den Vulkan hatte. Anschließend wanderten wir stundenlang in Richtung des schneebedeckten Gipfels, ohne ihm jedoch sichtlich näher zu kommen... Dennoch war es ein tolles Erlebnis, über messerscharfe, schwarze Lava-Felder zu stolpern, unzählige Eidechsen am Wegrand beim sonnenbaden zu beobachten und die Stille zu genießen.
Abends wurden wir noch zu einer Ausstellung über die Kultur der Mapuche-Indianer eingeladen und haben so ganz nebenbei in einem Fotolabor gelernt, wie man Fotos noch auf traditionelle Weise entwickelt! So verging die Zeit wie im Flug und wir hatten noch Zeit für genau eine Zwischenstation vor Santiago und entschieden uns für die Stadt Los Ángeles, was wir nicht bereuen sollten. Hier warteten nämlich zwei besondere Exkursionen auf uns. Einmal zu einem riesigen Wasserfall, dem «Salto del Laja», der selbst uns beeindruckte, obwohl wir schon die unvergleichlichen «»Cataratas de Iguazú gesehen hatten. Und einmal zur «Laguna Laja», einer abgelegenen, von Vulkanen und deren Lava-Feldern umgebenen tiefblauen Lagune, die uns trotz ihres glasklaren aber eiskalten Wassers dazu einlud, kurz hineinzuspringen.
Da war sie nun - unsere letzte Station und Hauptstadt: Santiago de Chile. Wir konnten es kaum glauben, jetzt hier angekommen zu sein, nach so langer Zeit und so vielen einzigartigen Abenteuern! Glücklicherweise sind wir auch hier bei ganz besonders lieben Leuten untergekommen, und zwar im sehr gemütlichen Casa Condell. So verbrachten wir hier unsere letzten Tage, bevor es zurück nach Deutschland ging - wir genossen das tolle Klima (viel Sonne bei gut 30 Grad, während in Deutschland ja schon tiefer Winter war...) und zogen noch mal los, um auch für jeden ein Mitbringsel zu besorgen.
Und dann war es soweit: am 21. Dezember 2005 hieß es Abschied nehmen von Südamerika, Abschied nehmen von 10 Monaten Abenteuer. Was bleibt, sind unvergessliche Erinnerungen an liebe Menschen, beeindruckende Landschaften und überwältigende Erlebnisse - Erinnerungen an eine anstrengende, aber wunderbare Zeit! Wir hatten ja alles aufgeschrieben: wo wir überall waren, was wir wo ausgegeben haben und wie weit wie womit gefahren sind. Das alles ist in unseren Statistiken nachzulesen und soll einen Eindruck vermitteln, wie eine solche Reise aussehen kann.
|